Die Frauen der Dichter by Feuerstein-Praßer Karin

Die Frauen der Dichter by Feuerstein-Praßer Karin

Autor:Feuerstein-Praßer, Karin [Feuerstein-Praßer, Karin]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783492969437
veröffentlicht: 2016-12-27T16:00:00+00:00


»Ohne sie kann ich nicht leben und mit ihr auch nicht«

Felice Bauer (1887–1960) und Franz Kafka

Den Abend des 13. August 1912 würde Felice Bauer wohl niemals vergessen. Auf dem Weg zu ihrer Schwester nach Budapest hatte die junge Berlinerin einen Zwischenaufenthalt in Prag eingelegt. Damals gehörte die »Goldene Stadt« noch zum Vielvölkerreich der Habsburgermonarchie. Rund 25 000 Einwohner, etwa fünf Prozent der Gesamtbevölkerung Prags, waren Deutsche, unter ihnen auch die Dichter Rainer Maria Rilke und Franz Werfel.

Kaum angekommen, erreichte Felice Bauer die Einladung eines entfernten, angeheirateten Verwandten. Der Schriftsteller und Theaterkritiker Max Brod (1884–1968) ließ anfragen, ob sie nicht Lust hätte, zu einem Familienessen vorbeizukommen und so die gesellige Runde zu vervollständigen. Weil sie nichts Besseres vorhatte, nahm Felice Bauer das Angebot gerne an.

Am Esstisch saßen auch Max Brods Eltern, sein Bruder Otto sowie Elsa Taussig, Brods Verlobte und spätere Ehefrau, die sich angeregt miteinander unterhielten. Max Brod berichtete von seiner geplanten Operettenaufführung, Felice erzählte von ihrem letzten Besuch im Berliner Residenztheater. Erst mit einer Stunde Verspätung traf auch der letzte Gast des Abends ein, ein hagerer junger Mann mit dunklem Haar, der Felice zunächst etwas irritiert anschaute, ihr dann aber zur Begrüßung die Hand reichte und den Platz gegenüber einnahm. Dieser seltsame Gast war ein Freund von Max Brod: der Schriftsteller Franz Kafka (1883–1924).

Weil alle Gäste an diesem Abend jüdischer Herkunft waren, lag es vielleicht nahe, dass man irgendwann auch auf Theodor Herzls 1896 erschienenes Buch »Der Judenstaat« und den Zionismus zu sprechen kam. War die Gründung eines eigenen jüdischen Staates vor dem Hintergrund des zunehmenden Antisemitismus in Europa tatsächlich eine Alternative, die man ins Auge fassen sollte? Felice ließ jedenfalls beiläufig einfließen, dass sie sich schon intensiv mit dem Hebräischen beschäftigt habe. Franz Kafka, sichtlich überrascht, machte daraufhin den spontanen Vorschlag, dass sie doch im kommenden Jahr einen gemeinsamen Urlaub in Palästina machen sollten. Kaum anzunehmen, dass er es wirklich ernst meinte, oder?

So langsam ging der Abend im Hause Brod zu Ende. Am Schluss setzte sich Otto Brod noch ans Klavier und sorgte für einen gelungenen musikalischen Ausklang. Dann war es an der Zeit, sich voneinander zu verabschieden. Eines allerdings stand fest: Zu dieser späten Stunde konnte eine junge Frau wie Felice Bauer auf keinen Fall alleine zurück in ihr Hotel gehen. Sie brauchte dringend männliche Begleitung. Gleich zwei Herren boten sich zum Geleit an: Max Brods Vater und Franz Kafka, der sich ebenfalls auf den Heimweg machen wollte. Während Felice mit dem älteren der beiden Herren noch ein wenig plauderte, ging Kafka schweigend neben den beiden her, als gehörte er überhaupt nicht dazu. Als sie allerdings das Hotel erreicht hatten, bestand er darauf, Felice noch bis zum Aufzug zu begleiten, bevor auch er ihr Lebewohl sagte. In diesem Moment deutete nichts darauf hin, dass sich Felice Bauer und Franz Kafka noch einmal begegnen würden. Am nächsten Tag reiste Felice wie geplant zu ihrer Schwester nach Budapest, bevor sie nur wenige Tage später nach Berlin zurückkehrte.



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